Santorin/ Thera
von Kristian Büsch




1) Die Insel
2) Akrotiri
3) Das Leben in Akrotiri
4) Der große Knall



Die Insel

Zusammen mit Mykonos ist Thera die touristischte aller Kykladeninsel. Und das hat seinen guten Grund. Thera ist landschaftlich mit Sicherheit die beeindruckendste aller griechischen Inseln. Hier findet jeder etwas. Der Geologe bewundert Abbruchhänge am Vulkankrater, den Vulkanfan reizt der nur halb erloschene Vulkan. Der Sonnenanbeter wird hier ebenso fündig wie der Naturfreund. Thera ist berühmt für seine vielfältigen Landschaften und das einmalige Panorama vom Rande der Caldera (des Vulkankraters). Kaum vorstellbar ist die gewaltige Kraft, die Thera einst in Stücke sprengte. Der Vulkankrater mißt mehrere Kilometer Durchmesser.

Einen kurzen Überblick über die Geschichte Theras zu geben, ist unmöglich. Deshalb beschränke ich mich auf einige kurze Notizen. Bei Herodot erfahren wir den ursprünglichen Namen der Insel: Strongyle - Die Kreisrunde. Wegen ihrer Schönheit wurde sie auch Kalliste genannt. Durch den Vulkanausbruch wurde der gesamte zentrale Teil der Insel weggesprengt bzw. er brach ein. Das Meer füllte das entstandene Loch. Übrig blieben die Inselchen Aspronissi, Therasia und die sichelförmige Hauptinsel Santorin. (Durch Vulkanaktivitäten bildeten sich in der Mitte des Kraterbeckens später Palea- und Nea Kamenina). Die Inseln waren von einer bis zu 40 m hohen Ascheschicht bedeckt. Jegliches Leben war von hier verschwunden. Erste Spuren menschlicher Besiedlung finden sich erst wieder aus dem 13. Jahrhundert vor Christus. Herodot berichtet, es seien die Phönizier unter Kadmos gewesen. Ungefähr acht Generationen beherrschten sie die Insel. Kadmos war für Europa eine sehr wichtige Figur. Er gilt als Gründer Thebens (in Griechenland, nicht des Thebens in Ägypten). Er soll den Griechen die Schrift gebracht haben. Die Schrift ist also keine griechische Entwicklung. Nach den Phöniziern kamen die Lakedaimonier. Sie benannten die Insel nach ihrem Anführer ''Thera''. Thera wurde ein rein dorische Kolonie. Und wie es sich für echte Spartaner gehört, ging man in der Folge seinen eigenen Weg, unabhängig vom Rest der Kykladen.


Wir wissen verhältnismäßig wenig über die folgende Zeit. Die Bewohner blieben wohl unter sich und versuchten wenige außenpolitische Eskapaden. Eine Ausnahme war das Jahr 630 vor Christus. Wiederum bei Herodot lesen wir, dass die Insel 7 aufeinanderfolgende Jahre von einer Dürre heimgesucht wurde. Einem Orakelspruch aus Delphi folgend, gründete man die Kolonie Kyrene. Die Gründungsgeschichte von Kyrene ist ein ausgesprochen spannendes Kapitel. Bei Gelegenheit wird noch einmal darauf zurückzukommen sein. In klassischer Zeit spielte Thera kaum eine Rolle. Während des Peloponnesischen Krieges stand man natürlich auf Seiten der Spartaner. In hellenistischer Zeit wurde Thera als strategisch günstiger Flottenstützpunkt geschätzt. In römischer Zeit spielte es wiederum keine Rolle, es gab allerdings es schon seit dem vierten Jahrhundert eine christliche Gemeinde auf Thera. In byzantinischer Zeit bedeutungslos wurde sie im 13. Jh. Teil des Herzogtums Naxos. Aus dieser Zeit stammt auch der "moderne Name" der Insel. Eigentlich heißt die Insel zwar auch heute noch Thera, doch kennen die meisten Touristen sie nur als Santorin. Diesen Namen erhielt sie von durchziehenden Kreuzrittern. Benannt ist sie nach einer kleinen Kirche der heiligen Irene (Santa Irene).

Die türkische Herrschaft brachte die langersehnte Befreiung vom Piratenunwesen. Der Transithandel konnte sich endlich ungestört entwickeln. Thera trat in Kontakt mit den großen Metropolen des östlichen Mittelmeeres. Dazu gehörten Konstantinopel und Alexandria, aber auch Odessa, wo man eigene Handelsniederlassungen gründete. Einer der Exportschlager wurde in modernerer Zeit die Vulkanasche. Bis zu 2 Mio. Tonnen eportierte man jährlich. So ist z.B. beim Bau des Suez-Kanal Santorinerde verbaut worden. Mit ihr wurde der Kanal isoliert. Der vulkanische Ursprung macht den Boden sehr fruchtbar. Wäre es nicht so trocken, Santorini könnte ein immergrünes Paradies sein. So reicht es gerade mal zu ein wenig Gemüse, Getreide und natürlich dem ausgesprochen leckeren Wein. Heute ist der Tourismus Grundlage der Wirtschaft und als jemand der die unberührten Flecken in Griechenland bevorzugt, darf ein leider in diesem Satz nicht fehlen.

Seit 1856 gibt es so etwas wie archäologische Forschungen auf Thera. Zunächst waren es römische Inschriften, später, beim Abbau der Santorinerde, kamen erstmalig die Überreste einer sehr alten Kultur zum Vorschein. Vor allem französische Wissenschaftler trieb es zunächst nach Thera. Während die ersten Entdeckungen noch auf Therasia gemacht wurden, war bald klar, dass im Gebiet um Akrotiri eine größere Struktur der Entdeckung harrte. Es wurden sogar erste Probeschnitte unternommen unter Aufsicht von R. Zahn. Er stammte aus dem Team von Hiller von Gaertringen, dass zum Ende des 18. Jh. die Ruinen der antiken Siedlung von Messa Vouno ausgruben. Einer der Besucher auf Santorin war übrigens Heinrich Schlieman. Der fand die bronzezeitlichen Strukturen auf Therasia zwar interessant, doch offenbar nicht interessant genug. Eine klare Fehleinschätzung wie wir heute wissen. Doch vielleicht war es ganz gut so. Schließlich wurde Schliemann nicht wegen seiner subtilen Grabungstechnik berühmt.

Archäologisch gesehen passierte in der ersten Hälfte des 20. Jh. nicht viel. Mit dem Jahre 1960 wurde alles anders. Bei Fahrbahnarbeiten kamen antike Gräber zm Vorschein. Grund genug für die Griechische Archäologische Gesellschaft mit großangelegten Grabungsarbeiten zu beginnen. Sehr bald schon rückte Akrotiri in den Mittelpunkt des Interesses. Im Jahre 1967 begann der große Spyridon Marinatos in Akrotiri zu graben. Bis zum Jahre 1974 grub er intensiv in der Siedlung von Akrotiri. Dann ereilte ihn das Schicksal. Er verunglückte bei Grabungsarbeiten tödlich. In der Ausgrabung fand er auch sein Grab. Professor Marinatos hatte eine großartige Idee. Sie hing mit dem Vulkanausbruch zusammen und sie war so phantastisch, dass er bis an sein jähes Ende alles daran setzte, sie zu beweisen. Und er rannte offene Türen ein. Die Geschichte klang so gut und so plausibel, dass lange niemand auf die Idee kam, mal jemanden zu fragen, der sich damit auskennt. Seine Theorie war ebenso großartig, wie sie falsch war. Und doch wird sie bis heute jedem Besucher der Ausgrabung erzählt. Keine Reportage über die Insel kommt ohne diese Geschichte aus und weil sie wahrscheinlich mittlerweile jeder kennt, kann man sie getrost noch einmal erzählen – später!

Akrotiri
Fast im äußersten Süden von Thera befindet sich eine der bedeutendsten Ausgrabungen der minoisch/ kykladischen Kultur. Als im 19. Jahrhundert Akrotiri entdeckt wurde, ahnte noch niemand etwas von der Existenz der Minoer. Man hatte zwar Mutmaßungen und in Ägypten sogar schon minoische Keramik gefunden, konnte diese aber nicht zuordnen. Man vermutete sie als von den Kykladen stammend. Vielleicht erklärt dies die enorme Zeitspanne zwischen der Entdeckung Akrotiris Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Beginn der Ausgrabungsarbeiten 1964. Rückblickend muß man fast von Glück reden, dass nicht früher mit den Arbeiten begonnen wurde. So verfügten die Ausgräber über die nötigen Techniken und Erfahrungen, um einen der größten Schätze der Menschheitsgeschichte zu bergen und zu konservieren. Die Rede ist von den Fresken, die in Akrotiri gefunden wurden. Doch der Reihe nach.

Zur Blütezeit der Siedlung Akrotiri war die Insel Thera (Strongyle) noch rund. Gut 1800 m über dem Meeresspiegel erhob sich die Spitze des Vulkans. Thera entstand durch vulkanische Aktivitäten, war also schon immer sehr fruchtbar. Akrotiri liegt für eine bronzezeitliche Siedlung perfekt. Die Stelle verfügte über einen natürlichen Hafen und sehr fruchtbares Hinterland - optimal für eine Neugründung. Es lag nach Süden in Richtung Kreta. An klaren Tagen kann man von den höheren Lagen Theras am Horizont die Berge Kretas sehen.

Man kann sicher davon ausgehen, dass Akrotiri eine von mehreren Siedlungen auf Thera war und daß es sich ursprünglich um eine kykladische Gründung handelte. Spuren dieser präminoischen Zeit haben sich im Stadtplan Akrotiris erhalten. Die gesamte Anlage erinnert eher an ein modernes Dorf auf den Kykladen, denn an eine minoischen Anlage. Trotzdem ist der Einfluß Kretas omnipräsent. Das ist aber auch nicht überraschend. Hell strahlte das Licht der minoische Kultur in jenen Tagen und die Minoer waren Händler. Bis an die kleinasiatische Küste trieb es sie. Akrotiri lag praktisch vor der Haustür. Und mit Sicherheit war es ein bedeutender Handelsstützpunkt oder -partner für die Minoer. Der offensichtliche Reichtum und Glanz Akrotiris belegen dies eindrucksvoll.

Die Architektur Akrotiris war großzügig. Noch heute kann man Gebäude sehen, die zwei Stockwerke hoch erhalten sind. Vergleichbar ist diese Situation praktisch nur mit Pompeji. Als Besucher wandelt man durch die Straßen einer 3500 Jahre alten Stadt. Leider ist nur ein sehr kleiner Teil der Ausgrabung zugänglich, doch vermittelt dieser Teil einen sehr guten Eindruck von der Anlage. Der Architekturstil ist eine Mischung aus minoischen und kykladischen Elementen. Schmale gepflasterte Straßen führen durch die Stadt, unter ihnen versteckt die Kanalisation. Das Material aus dem die Häuser gebaut wurden, ist auf der Insel reichlich vorhanden. Meist sind es kleine Steinbrocken, mit Stroh vermengter Lehm und Holzbalken zur Verstärkung. In den reicheren Häusern fanden aber auch behauene Steine Verwendung.

Der vielleicht beeindruckendste Teil des Rundgangs ist der Dreiecksplatz. Er wird begrenzt von Xeste 1, einem nicht näher beschriebenen Komplex und dem Westhaus. Xeste 1 ist einfach der Name eines der Wohnkomplexes. Nur von Ferne sehen, kann man Xeste 2-4 sehen. Die Namen der Komplexe werden erst interessant, wenn man die einzelnen Fresken zuordnen will. Im Westhaus fanden sich die Fresken mit den Fischerjungen und die Miniaturfresken. Diese Miniaturfresken sind eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte, v.a. zur Sozialgeschichte. Schließlich verfügen wir über keinerlei schriftliche Quellen dazu. Die Fresken sind die einzigen Zeugen, die uns ein wenig über das Leben in Akrotiri verraten. So ist die Enttäuschung auch groß, wenn man feststellt, dass man die Fresken gar nicht in situ sehen kann. Übertroffen wird diese Enttäuschung eigentlich nur noch von der Tatsache, dass die Fresken eigentlich überhaupt nicht mehr auf Thera sind. Wenn man sich dieses Umstandes nicht bewußt war, ist der Ärger sicher groß.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ausgrabungen in Griechenland ist in Akrotiri fast alles abgesperrt. Man kann in keines der Häuser hineingehen. Leider kann man noch nicht einmal richtig hineinsehen. Das ist sehr schade, denn so bekommt man kaum etwas mit von dem architektonischen Reichtum Akrotiris. Lediglich in Xeste 1 kann man einen kurzen Blick auf eines der großartigen Treppenhäuser werfen. Wie auf dem Bild hoffentlich zu erkennen, kann man hier eine typische Erdbebenzerstörung sehen. Wie mit dem Lineal gezogen, ist die Treppe in der Mitte gebrochen. Trotzdem war sie im Notfall noch zu benutzen. Das nennt man wohl eine erdbebensichere Konstruktion.

Bei meinem letzten Besuch dort mußte ich mehr oder weniger notgedrungen die Ausführungen eines Führers durch die Ausgrabung mitanhören. Dieser hatte zu dieser Treppe seine sehr eigene Theorie. Er glaubte an die absolute Erdbebensicherheit dieser Treppe und das sie erst durch den Schlag eines Lavabrockens gebrochen ist. Wie er sich den geraden Verlauf des Bruches in Verbindung mit der Existenz der Mauer erklärt, hat er leider nicht erklärt. Schließlich hätte ein Lavabrocken, um so einen Bruch zu verursachen, entsprechend groß gewesen sein müssen. Mich hat er mit seiner Theorie nicht überzeugt. Immerhin - der Führer sprach exzellent englisch und das ist als Qualifikation ja auch nicht zu unterschätzen.

Ich will die Tatsache der Absperrung an sich nicht beklagen. Die Umstände lassen es nicht anders zu. Ohne diese Sicherungsmaßnahmen, hätten die Besucherströme, Akrotiri längst dem Erdboden gleichgemacht. Ein wenig mehr Wert auf die Präsentation hätten die Macher jedoch schon legen können. Schließlich ist der Eintritt nicht ganz umsonst. (Es sei denn man ist EU-Student!) Trotzdem lohnt ein Besuch. Auf den meisten Ausgrabungen sieht man nur Fundamente oder wie in Knossos Rekonstruktionen aus Stahlbeton. In Akrotiri begegnet man dem Original. Trotz gewisser Schwächen in der Präsentation ist das etwas besonderes. Ein Hauch von Geschichte weht durch diese Gassen. Und man muß kein Archäologe sein, um dieses Gefühl zu spüren.
Das Leben in Akrotiri
Einigen Aufschluß über das Leben der Bewohner geben uns die archäologische Befunde. Der Reichtum Akrotiris ist schon mehrfach hervorgehoben worden. Diesen Reichtum werden die Bewohner schwerlich nur durch Ackerbau, Viehzucht und Fischfang erlangt haben. Man darf eine starke Handelstätigkeit annehmen. Unter den Funden deuten zwei aus Straußeneiern und Fayence gefertigte Rhyta (Spendegefäße) auf Kontakt zu Ägypten. Ob mittelbar über Kreta oder unmittelbar ist damit noch nicht gesagt. Andere Funde, v.a. aus dem Bereich Keramik, deuten auf Kontakte zum griechischen Festland, eine syrische Amphora scheint Verbindungen ins östliche Mittelmeer nahezulegen. Es gibt jedoch keine klaren Beweise für oder gegen eine Vermittlerrolle Kretas!

Im Alltag hat Fischfang sicher eine bedeutende Rolle gespielt. Viehzucht und Ackerbau sind belegt. Gerste scheint eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Die Ausgräber fanden wiederholt Gerstenkörner oder -mehl in Vorratsgefäßen. Gerstenähren finden sich außerdem öfter als Dekoration auf Gefäßen. Daneben scheinen bevorzugt Hülsenfrüchte angebaut worden zu sein. Und natürlich waren auch im zweiten Jahrtausend vor Christus Oliven und Wein ein Bestandteil der kykladischen Kultur. Ein Bienenstock aus Ton zeigt, dass die Imkerei bekannt war. Ein Fresko zeigt Frauen, beim Pflücken von Safran. Diese Pflanze ist bis auf heutigen Tag in dieser Region heimisch. Die Darstellung auf dem Fresko deutet an, dass Safran damals ein Wirtschaftsfaktor war. Wofür er genau benutzt wurde, ist nicht mehr nachzuweisen. Vermutlich diente er aber er zum Färben von Textilien. Seine Bedeutung als Gewürz war sicher untergeordnet.

Neben der Beschäftigung in der Landwirtschaft wird das Handwerk wichtigster Zweig der lokalen Wirtschaft gewesen sein. Die Ausgräber fanden tausende Tongefäße und -gerätschaften. Ebenso wie die Töpferei hatte die Steinmetzkunst ihren Platz. Die Herstellung der gefundenen Artefakte, Mühlsteine, Mörser, Hämmer, Schüsseln..., erforderte gewiß Spezialkenntnisse. Man muß also davon ausgehen, dass es Fachleute gab, die ausschließlich mit dem Handwerk beschäftigt waren. Es war nicht die Nebenbeschäftigung der landbauenden Bevölkerung. Teil der häuslichen Beschäftigung scheint dagegen das Weben gewesen zu sein. Webgewichte fanden sich in fast allen Häusern.

Neben den '‘profanen‘‘ Tätigkeiten muß es noch andere Berufsgruppen gegeben haben. Es sind dies die Architekten und Erbauer der Häuser, Straßen und Kanalisationssysteme. Nicht zu vergessen natürlich die Künstler, die Schöpfer jener grandiosen und einmaligen Wandgemälde. Die großartige und luxuriöse Ausstattung der Gebäude (Und es gibt derer viele!) legt den Schluß nahe, dass es eine Art Händlergilde gegeben hat. Sie wagten sich aufs offene Meer und trieben Handel. Ob es einheimische Produkte waren oder Zwischenhandel vielleicht im Auftrag der Minoer, ist nicht genau zu ermitteln. Doch hat Spyridon Marinatos, als er das Westhaus als da ''Haus des Admirals'' bezeichnete, wohl ins Schwarze getroffen. Es spricht einiges dafür, dass der Reichtum Akrotiris aus Handelsmissionen stammte. Diese These stützt im Prinzip auch die Darstellung des Schiffsfresko aus dem Haus des Admirals. Nicht zu übersehen ist aber, dass in der einen Szene gekämpft wird! Das ist etwas, dass in unser Bild der friedlichen minoischen Kultur nicht paßt. Es könnte natürlich sein, dass wir hier eine Quelle für den Reichtum sehen. So recht daran glauben, mag ich aber nicht.

Was also war Akrotiri? Ich meine es war eine theräische Siedlung. Ihren Reichtum verdankte sie dem Handel. Vermutlich haben sich Kreter hier niedergelassen. Sie könnten so eine Art Handelsstützpunkt aufgemacht haben. Die Einheimischen könnten ihre Erfahrung als Seeleute eingebracht haben und im Auftrag der minoischen "Handelsherren" die Meere bereist haben. Vielleicht hat auch Thukydides recht, wenn er schreibt, Minos haben die Kykladen kolonisiert, indem er seine Söhne als Anführer von Expeditionen entsandte. Allerdings muß man Kolonie hier vorsichtig gebrauchen. Sicher waren es keine Kolonien im Sinne der attischen Kleruchien. Eher waren es einige Interessenvertreter, die vor Ort lebten und mit den Einheimischen kooperierten. Es ist evident, dass Thera zwar minoisch beeinflußt war, dass es jedoch daneben starke traditionelle Einflüsse gab. Das kykladische und das minoische Element koexistierten.

Der große Knall
Wie wird man zur Legende? Richtig durch einen spektakulären Abgang. Spektakulärer als Santorin kann man die Bühne kaum verlassen. Entsprechend vielfältig sind die Theorien, die es um die letzten Tage von Strongyle (Santorin) gibt Die populärste und am häufigsten kolportierte Theorie stammt von Spyridon Marinatos. Der Ausgräber von Akrotiri versuchte Zeit seines Lebens, diese seine Theorie zu beweisen. Ein gnädiger Gott nahm ihn von uns, noch bevor von anderer Seite gezeigt wurde, dass diese Theorie falsch ist. Marinatos glaubte, Atlantis entdeckt zu haben. Kreta und Thera zusammen bildeten demzufolge das sagenhafte Königreich, so wie es bei Platon beschrieben ist. Durch den Vulkan wurde dieses Imperium so erschüttert, dass es unterging. Als Szenario wäre denkbar, dass z.B. infolge des Vulkanausbruches eine gewaltige Flutwelle die Küste Kretas und die gesamte minoische Flotte zerstörte. Durch den Zusammenbruch der Flotte brach dann das minoische Imperium, das auf einer Thalassokratie (einer totale Seeherrschaft) beruhte, zusammen.

Diese Theorie hat durchaus etwas für sich. Dazu werfen wir mal einen kurzen Blick auf die Chronologie der minoischen Kultur. Das Ende der Neupalastzeit ist verbunden mit einer Katastrophe. Archäologisch evident ist, dass um 1450 v.Chr. alle minoischen Paläste mehr oder weniger zerstört wurden. Brandspuren sind sehr gut faßbar. Im Anschluß wurde nur Knossos weiter genutzt. In der Zeit danach änderte sich auf Kreta künstlerisch, architektonisch und administrativ einiges. Man muß wohl davon ausgehen, dass Kreta von dorischen Invasoren erobert wurde. Korrigiert man die stillschweigend Platos Datierung von 9000 auf 900 Jahre vor Solon ist man auch ungefähr im richtigen Zeitraum. Paßt also gar nicht so schlecht. Man braucht also nur noch den Vulkanausbruch richtig datieren. Und damit fängt der Ärger an.

Marinatos datierte den Vulkan anhand der Keramik um 1450. Leider gab es dafür keinen guten Grund. Der Stil Spätminoisch I fehlte vollständig. Dafür paßte es hervorragend zur Atlantigtheorie. Die nächste Datierung war eine naturwissenschaftliche. In der Asche gefundene Fossilien wurden per C14 datiert. C14 ist leider nicht sehr genau. Vielversprechend war dagegen eine Bohrung im Grönlandeis. Hier fand sich aus dem Jahren um 1600 v.Chr. eine Ascheschicht. Sie wurde lange Zeit mit dem Santorinausbruch verbunden. Der Vorteil eines Eiskerns: die Datierung ist sehr genau. Eine aktuelle Analyse der Asche soll nun ergeben haben, dass es sich nicht um den Santorinvulkan handeln soll. Das würde heißen, die Datierung ist wieder völlig offen. Martin Bernal hat in seinem skandalträchtigen Buch ''Black Athena'' den Ausbruch mit gesellschaftlichen Umwälzungen in China in Zusammenhang gebracht. Allerdings wird auch er sich auf die Grönlandeisdatierung verlassen haben. Sollte ein Nachweis des Santorinvulkans im Eis nicht gelingen, würde das bedeuten, dass die Auswirkungen dieses Ausbruchs nicht so weit reichten. Damit müßte dann auch Martin Bernal nach einer anderen Ursache suchen. Denn die Frage, von welchem Vulkan die Asche stammt, die im Eis gefunden wurde, stammt, ist überhaupt nicht geklärt. Was kann man also tun? Back to the roots lautet die Devise. Im Moment wird wieder anhand der in der Asche Santorins gefundene, importierte Artefakte datiert. Soweit mir bekannt wird aktuell der Vulkansausbruch um 1530 v.Chr. datiert. Damit lägen zwischen Vulkan und dem Ende der Neupalastzeit gute 80 Jahre. Viel zuviel wie ich meine.

Gegen die Theorie Marinatos spricht aber nicht nur die ungesicherte Datierung. Es gibt gute Gründe an der Authenzität der gesamten Atlantisgeschichte bei Platon zu zweifeln. Viel eher scheint Platon ein Beispiel für eine ideale Gesellschaft zu erfinden. Ein zweites schlagendes Argument gegen diese Atlantistheorie ist: Kreta ist nicht gesunken. Und das ist meiner Ansicht nach eine ziemlich zentraler Teil des Ganzen. Santorin selbst ist zu unbedeutend, um mit dem sagenhaften Atlantis gleichgesetzt zu werden. Meine Zweifel an einem gemeinsamen Kulturkreis von Kreta und Santorin habe ich bereits geäußert. Außerdem lokalisiert Platon Atlantis jenseits der Säulen des Herakles. Damit ist für gewöhnlich die Straße von Gibralta gemeint. Auch hier ein Widerspruch. Und der Plan der Atlanter, Athen zu unterjochen, wäre wenig heroisch gewesen. Im benannten Zeitraum war Athen höchstens eine Ansammlung von Dörfern. Für einen ordentlichen Feldzug hätte man sich wohl potentere Gegener gesucht. Fazit: Selbst ohne eine gesicherte Datierung gäbe es gute Argumente gegen die Identifikation mit Atlantis.

Vielleicht nicht Atlantis, doch was ist nun passiert beim Untergang Strongyles?

Ohne ein ganz genaues Datum zu kennen, ist irgendwann Mitte des 2. Jahrtausend vor Christus der Vulkan auf Strongyle (Thera/Santorin) ausgebrochen. Vermutlich durch kleinere Erdbeben oder kleinere Eruptionen waren die Bewohner Akrotiris gewarnt. Von Akrotiri wissen wir, dass es evakuiert wurde. Allem Anschein nach hatte man keine zu große Eile, da offenbar auch wertvolle Habseligkeiten mit gerettet wurden. Auf die ersten Warnsignale folgten schwere Erdbeben, die teils erhebliche Schäden an Gebäuden hinterließen. Vermutlich folgte dann eine längere Ruhepause, welche die ersten Bewohner Akrotiris veranlaßte, zurückzukommen und Reparaturen auszuführen. Ein kleinerer Ausbruch vertrieb die Rückkehrer. Eine 2-3 cm starke Bimssteinschicht senkte sich wie ein Schleier über die Insel. Obwohl auch darauf eine Phase der Ruhe folgte, kehrten die Bewohner nicht zurück. Strongyle ward endgültig verlassen.

Weitere immer schwerere Ausbrüche folgten. Gewaltige Massen an Bimsstein, Asche und Geröll wurden aus dem Krater geschleudert und begruben die Insel unter einer über dreißig Meter starken Schicht. Riesige Basaltbrocken zertrümmerten Teile von Akrotiri. Alles Leben verschwand von der Insel. Der gewaltige Ausstoß von Material hinterließ ein riesiges Vakuum im Innern des Berges. In dieses Loch stürzten die Reste der Erdrinde. Zurück blieb ein gewaltiger Krater. Dieser füllte sich mit Wasser. Die Fläche dieser ''Caldera'' beträgt 83 qkm. Aus Strongyle wurden Santorin, Therasia und Aspronissi. Durch spätere vulkanische Aktivitäten enstanden in der Mitte der Caldera zwei neue Inselchen.

Ohne Zweifel war der Vulkanausbruch so heftig, dass auch die benachbarten Inseln, vielleicht das gesamte östliche Mittelmeer von den Folgen der Katastrophe getroffen wurde. Meines Wissens zeigen die Paläste selbst keine Zerstörungen, die sich mit einer Flutwelle erklären lassen. Man muß jedoch davon ausgehen, dass auch Kreta schwer getroffen wurde. Flutwellen, Ascheregen und sicher auch der Verlust eines Handelspartners dürften Auswirkungen auf den großen Bruder gehabt haben. Seien es nun Zerstörungen der Hafenanlagen, der Verlust von Schiffen oder klimatische Veränderungen, an Kreta ist dieser gewaltige Ausbruch sicher nicht ohne Spuren vorbeigegangen. Vielleicht ist tatsächlich das Reich des Minos infolge des Vulkanausbruches so schwach gewesen, dass dorische Invasoren die Macht ohne große Gegenwehr übernehmen konnten, doch rechtfertigt dies sicher nicht die Identifikation mit Atlantis oder ähnliche reißerische Szenarien. Einiges liegt noch im Verborgenen, vieles ist noch zu entdecken. Die Antwort bein Platon zu suchen, halte ich für den falschen Weg.

 


 

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