Der Artemistempel zu Ephesos
Einzigartige Wohnstatt der Götter auf Erden - wer einmal ihn
geschaut, vermeint die Welt der Götter sei vom Himmel zur Erde
übergesiedelt.
In
den größten und blumigsten Metaphern schwelgte Philon vom "prunkvollsten
Gebäude der Welt". Selbst die Giganten ernteten geringeren
Ruhm, als sie sich tollkühn auf die Götter stürzten
und des gewaltigen Atlas' Kraft verblasst angesichts der Macht der
Fundamente des Artemistempel zu Ephesos (Efes). Dieses Bauwerk ist
etwas Besonderes selbst in dem so illustren Reigen der Weltwunder.
Superlative wohin das Auge schweift.
Die Stadt
|
Hadriantempel
von Ephesos
|
Neben
dem Rivalen Milet war Ephesos bedeutendste Metropole der kleinasiatischen
Küste. Etwas zurückgesetzt vom Meer entstand Ephesos um
den Binnenhafen, den der Fluss Kaystros mit dem Meer verband. Gegründet
wurde die Stadt im 12. oder 11. Jahrhundert v.Chr. von ionischen Griechen.
Der Sage nach führte der athenische Königssohn Androklos
"Leute von Samos" an den Platz und errichtete Stadt, Mauern
und den ersten Tempel. Genaues wissen wir nicht, allerdings ist zu
vermuten, dass die Gründung im relativen Einvernehmen mit der
indigenen Bevölkerung stattfand. Zumindest ist nichts von Kämpfen
überliefert und eines Waffenganges erinnerte sich der Grieche
jener Tage bekanntlich gern.
Beim
Dichter Kallimachos (Anfang 3. Jahrhundert v.Chr.) findet sich noch
eine weitere Version zur Gründung des Artemisions. Demnach sei
die erste Widmung ein Werk der Amazonen. In Anbetracht der Tatsache,
dass diese eher ins Reich der Mythologie gehören, gereichen wir
es mal Androklos zur Ehre. Archäologisch nachweisbar ist, dass
im 8. Jahrhundert der "Tempelbetrieb" in vollem Gange war.
Ephesos war in jenen Tagen schon eine ansehnliche Stadt und rangierte
an vorderster Stelle im Reigen der griechischen Metropolen.
Bis
hinein ins 7. Jahrhundert war Ephesos eine Monarchie. Ohne Einzelheiten
zu kennen, kann man wohl davon ausgehen, dass das Herrschergeschlecht
durch einen Aufstand vertrieben wurde. Eine Tyrannis nahm ihren Platz
ein. Wie in vielen anderen griechischen Städten war auch in Ephesos
die Tyrannis eine Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte.
Nicht umsonst suchte Solon, einer der 7 Weisen, die Stadt auf, um
ihre Gesetze zu studieren. Ähnliches ist auch aus Athen und z.B.
von der Insel Naxos überliefert.
Ephesos
war eine reiche Stadt. Das Theater soll Platz für 25.000 Besucher
gehabt haben, das Odeon wurde gerühmt seiner guten Akustik wegen.
Der Marktplatz, Zentrum einer jeden griechischen Polis, war mit Marmor
ausgelegt. Palästren, Gymnasien und ein großes Stadion
fehlten ebensowenig, wie eine Akropolis. Um 560 v.Chr. begann man
mit dem Bau des älteren Artemistempel. Es gab natürlich
vorher einen anderen, doch wir reden hier von den ganz großen.
Nach seiner Fertigstellung sollte er alles überstrahlen. In diesen
Zeitraum (und wohl nicht ganz ohne Zusammenhang) stattete Kroisos
der Stadt einen Besuch ab. Selbst in unseren modernen Zeiten des Überflusses
und der Verschwendung gilt als ein Krösus jemand, der des Guten
einfach zu viel hat und das in seinem Lebenswandel auch zu zeigen vermag.
Ein Freundschaftsbesuch war der Besuch des wahren Krösus jedenfalls
nicht. In seiner Begleitung hatte er ein stattliches Heer. Da die
Epheser dem Lyderkönig nichts entgegenzusetzen hatten, besannen
sie sich einer List: Der alte Tempel (wie auch alle zukünftigen)
lag ausserhalb der Stadt. Die Stadtväter ließen nun ein
Seil spannen vom Stadttor zum Artemision. Sie erklärten die Stadt
zu einem Teil des Territoriums der Göttin. Das galt nach damaligem
Recht als unverletzlich. Wer immer sich in einen Tempelbezirk rettete,
hatte dort Asyl und Schutz.
Kroisos
gefiel die Idee der Ephesier offenbar. Sie anerkannten Kroisos als
Schirmherr der Stadt und des Tempels an, im Gegenzug ließ dieser
ihnen die Unabhängigkeit und schloss einen Freundschaftsvertrag.
Ein Effekt davon war, dass die Stadt ihren Handel auf das ganze Lyderreich
ausdehnen konnte. Da Kroisos nicht nur ein sehr reicher sondern auch
ein großzügiger Spender und Herrscher war, stiftete er
reichlich Gold und Geschenke zum Bau des neuen Tempels. Vielleicht
sollte erwähnt werden, dass nach einer anderen Version dieser
Geschichte, Kroisos die Stadt eroberte. Während der Kämpfe
soll der alte Tempel zerstört worden sein. So war es vielleicht
sein schlechtes Gewissen, dass Kroisos zur Stiftung veranlasste. Mit
den Götern war in manch einer Beziehung nicht gut Kirschen essen.
Die Zerstörung ihrer Tempel gehörte definitiv dazu. Es gibt
zahllose Beispiele, dass Kriegsherren sich auch mit fremden Göttern
in eroberten Gebieten "gut stellen" wollten.Alexander war
prominentes Beispiel dafür. Sei es, wie es sei!
Theodorus
wurde mit dem Bau des Neubaus beauftragt, der alle Vorgänger
weit in den Schatten stellen sollte. 100 Jahre sollten es dauern,
bis der neue Tempel endlich fertig war und nur um Missverständnissen
vorzubeugen - es herrschte kein Schlendrian am Bau damals. Es soll
hier trotzdem nur kurz auf diesen Bau eingegangen sein. Die Ausmaße
des Tempels betrugen nach derzeitigem Stand des Wissens 60 x 103 m.
Um einen Hof mit mit überdachter Vorhalle und einem rückwärtigen
Raum reihten sich zwei Reihen gewaltiger Säulen. Sie hatten eine
Höhe von fast 19 m. Anhand der Ausgrabungen ergibt sich eine
Zahl von 106 Säulen. Ein Gebäude im Hof barg das Kultbild
der Artemis. Der Bau war vollständig aus Marmor errichtet. Schon
dieser ältere Tempel war ein beeindruckender Bau. Vermutlich
hätte es bereits das ältere Artemision in die Liste der
Weltwunder geschafft, wäre da nicht ruhmsüchtiger Mann namens
Hiero... hmmm stop! Erklärung folgt gleich - jedenfalls erschien
jemand auf der Bildfläche. Um seinen Namen für allen Zeiten
zu verewigen, kam er auf den genialen Gedanken, den Tempel in Brand
zu setzen. (Wie man einen Marmorbau in Brand setzt, ist mir übrigens
nicht bekannt.) So geschehen im Jahre 356 v. Chr. Sogar ein genaues
Datum ist (in geradezu unglaublicher Einhelligkeit in allen Quellen)
überliefert: Der 21. Juni. Es war dies die Nacht, als Alexander
der Große zur Welt kam. Ein Zusammenhang ist nur insofern zu
vermuten, dass spätere Geschichtsschreiber einen Geburtsmythos
kreierten. Ob man an einen solchen Zufall glauben mag, bleibt jedem
selbst überlassen. Die Strafe für den Frevler soll auch
noch erwähnt werden. Da er aus Ruhmsucht gehandelt hatte, beschloss
der Rat, seinen Namen für alle Ewigkeit aus dem menschlichen
Gedächtnis verbannt werden. Er hieß fortan nur noch der
Wahnsinnige - nicht ganz unzutreffend nach allem. Diesem Urteil beugen
wir uns natürlich.
Buchempfehlungen:
Sieben Weltwunder, drei Furien und 64 andere Fragen, auf die
Sie keine Antwort wissen
Autor:
Peter D'Epiro
Neu kaufen: EUR 12,90
Die Sieben Weltwunder
Autor: Werner Ekschmitt;
Neu kaufen: EUR 25,50
Die Sieben Weltwunder der Antike
Autor: Max Kunze
Neu kaufen: EUR 39,90
DVD!
Die
7 Weltwunder der Antike
Neu kaufen:
EUR 17,99
|
Bleiben
wir noch etwas bei der Geschichte der Stadt. Durch die geradezu denkwürdige
Fehlinterpretation eines Orakelspruchs schaffte es Kroisos, sein Großreich
zu verlieren. Das Apollonheiligtum in Delphi hatte ihm zu seinen Expansionsplänen
inhaltsgemäß erklärt: Wenn er den Halys (einen Fluss in der östlichen
Türkei) überschreite, würde er in großes Reich zerstören. Kroisos
hatte geschlussfolgert, dass es sich dabei um das des persischen Nachbarn
handelte. Nun waren Orakel die ersten Großmeister der Diplomatie.
Die Sprüche waren so abgefasst, dass man ihnen nie wirklich etwas
schlechtes nachsagen konnte. So auch in diesem Fall. Ein großes Reich
ging tatsächlich unter, nur das es, zur größten Überraschung des Kroisos,
das Lyderreich selbst war. So kann es einem gehen. Traue keinem über
30 und erst recht keinem Orakel!
Kaum hatten die Perser ihre Macht gefestigt, machten sie sich daran,
den Einfluss der griechischen Metropolen an der kleinasiatischen Küste
zu beschneiden. Steuern wurden erhoben und Handelsprivilegien beschnitten.
Das führte zum Aufstand. Die antipersische Erhebung unter Führung
der Mileter begann im Jahre 500 v.Chr. Hilfe erhielten die Aufständischen
aus Athen. Trotz anfänglicher Erfolge endete der Aufstand im Desaster.
Die Folgen war fatal und sie war von einer damals noch ungeahnten
Tragweite. Doch ist das eine andere Geschichte. Der Perserkönig Dareios
übte grausam Rache. Milet wurde geschleift, die aufständischen Griechen
getötet oder versklavt. Ephesos hatte sich aus dem Aufstand herausgehalten.
Zum Dank wurde es verschont. (Die feigen Schufte!)
Trotz des wenig ruhmreichen Einsatzes während des Aufstandes, knüpfte
die Epheser nach den Perserkriegen, als ein übermächtiges persisches
Aufgebotes gegen die vereinten Griechen eine demütigende Niederlage
einsteckte, freundschaftliche Beziehungen zu Athen. Im Zuge der Niederlage
der Athener im Peloponnesischen Krieg (403 v.Chr.) kam man wieder
unter persische Hoheit. 334 v.Chr. befreite Alexander der Große die
Stadt erneut aus persischer Botmäßigkeit und gab ihr die Unabhängigkeit
wieder. Damit soll der kleine Exkurs in die Geschichte der Stadt Ephesos
auch schon vorbei sein. Nur soviel sei noch verraten: Ab dem 3. Jahrhundert
sank der Stern der Epheser langsam. Das endgültige Ende kam erst im
Jahre 1892, doch da war Ephesos schon nicht mehr als eine Ansammlung
von Hütten.
Im Laufe der Geschichte brachte Ephesos einige große Namen hervor
und die Rede ist hier nicht von dem Wahnsinnigen. Die Epheser
selbst hielten Homer für ihren größten Bürger. Er wurde zwar
in Smyrna geboren, doch das hatten schließlich sie gegründet. Nach
dem Verständnis der Epheser war er somit Bürger ihrer Stadt. Wir stimmen
ihnen zu. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass keineswegs
sicher ist, wo der große Poet geboren wurde. Um den Titel Geburtsort
Homers bewerben sich ganze sieben Kandidaten. Mit allen Varianten
dieses "Distichon" (Den Griechen war die Zahl sieben etwas Besonderes)
sind es sogar 10 Städte.
Aus dem 7. Jahrhundert ist als namhafter Epheser Kallinos überliefert.
Er gilt als der Initiator elegischer Poesie. Von seinem Werk sind
nur Bruchstücke erhalten. Des weiteren wurde in Ephesos geboren der
Hipponax, Begründer der satirischen Poesie. Vom Volke geliebt, vom
Tyrannen verbannt könnte man seine Epheser Karriere kurz zusammenfassen.
Ein weiterer namhafter Mitbürger war Apelles. Er wurde zwar nicht
in Ephesos geboren, doch genoss er hier seine künstlerische Ausbildung.
Er galt als unübertroffen in der Vollendung seiner Zeichnungen, der
reichen Farbskala, der Aufteilung der Figuren und der psychologisch
feinen Charakterdarstellung derselben. Er brachte es zum Hofmaler
Alexanders des Großen. Die Beschreibung seines Bildes Den Wellen
entsteigende Aphrodite soll Botticelli zu seiner Venusgeburt
angeregt haben. Für den Artemistempel malte er das Bild Blitzeschleudernder
Alexander. Alexander schenkte dem Künstler, ob der Tatsache, dass
dieser ihn als Zeus dargestellt hatte, die Summe von 20 Talenten.
Das hört sich nicht beeindruckend an, doch ist es für damalige Zeit
eine gewaltige Summe. Athen wendete für die Ausgestaltung der Panathenäen
nur 5 Talente auf und das war in einer Zeit, als man angeben wollte.
Auch einer der ersten Literaturkritiker und Verleger der Antike -
Zenodotos - war Epheser. Alle überstrahlt jedoch ein anderer Name:
Heraklit war der wohl bedeutendste Sohn der Stadt. Niemand
sagte soviel mit so wenigen Worten - Heraklit war einer der bedeutendsten
Philosophen der antiken Welt. Leider ist sein Werk fast vollständig
verloren. Dabei soll er es der Überlieferung nach am sichersten Platz
der Welt verwahrt - dem Artemistempel. An irgendeiner Stelle muss
es sich der große Denker mit der Göttin verdorben haben. Doch das
gehört ins Reich der Spekulation.
weiter
zu Teil 2 >>>