Die Erbauer
Wer steckt hinter Stonehenge? Diese Frage versuchen Wissenschaftler
schon seit langer Zeit zu beantworten. Dass sie sich nicht ganz
eindeutig beantworten lässt, liegt auf der Hand. Schließlich
wurde der Ort über Jahrhunderte genutzt, die Anlage selbst
wurde mehrfach um-, neugebaut und erweitert.
Im
näheren Umkreis der Anlage wurden vor wenigen Jahren sieben
Skelette freigelegt. Die Datierung ergab ein Alter von rund 4300
Jahren. Daraufhin machte sich in Fachkreise einige Aufregung breit.
Bei dem hohen Alter konnte man zumindest einmal vermuten, dass die
nach ihrem Fundort benannten "Boscombe Bowmen"
an der Konstruktion der Anlage beteiligt waren.
Tatsächlich
bestätigte sich dieser Verdacht mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit. Interessant ist der Ansatz, den die Archäologen
dabei verfolgten. Statt der Knochen standen bei den ausschlaggebenden
Untersuchungen die Zähne im Brennpunkt des Interesses. Der
Zahnschmelz verrät im Labor einiges über Lebensumstände
einer Person, wie sie lebte und auch wie sie aufwuchs.
Die
Untersuchung der Knochen hatte ergeben, dass es sich um vier Brüder
und drei Kinder handelte. Im Zahnschmelz der Sieben wurde nun eine
überraschend große Menge an radioaktivem Strontium gefunden.
Da bahnte sich eine kleine Sensation an. Wahrscheinlich muss man
das aber kurz erklären.
Strontium
ist benannt nach dem schottischen Ort Strontian und ein sehr reaktionsfähiges
sogenanntes Erd-Alkalimetall. Den meisten Archäologen würde
der Hinweis, dass Spuren dieser Strahlung im Zahnschmelz gefunden
wurden, nicht unbedingt den Schweiß auf die Stirn treiben,
bei einem Stonehenge-Experten sieht das etwas anders aus.
Während im Zusammenhang mit der Anlage vieles unklar und umstritten
ist, herrscht Zumindest in einer Hinsicht Einigkeit. Dabei geht
es um die Herkunft der bis zu 20 Tonnen schweren Megalithen. Wir
wissen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass die
"Blue Stones", übrigens so genannt wegen ihrer ungewöhnlichen
Farbe, aus den walisischen Preseli-Hügeln stammen. Die liegen
bemerkenswerte 250 Kilometer von Stonehenge entfernt. Wir gerade
gehört, gelang es mittlerweile ja sogar, den betreffenden Steinbruch
zu identifizieren.
Was
hat das nun mit den Zähnen der Bowmen zu tun? Ganz einfach,
die Gegend aus der die Monolithen stammen, ist bekannt wegen ihrer
ungewöhnlich hohen, natürlichen Radioaktivität. Das
mag nichts beweisen, passt aber hervorragend ins Bild. Die direkt
neben Stonehenge beerdigten "Boscombe Bowmen" stammen
mit einiger Sicherheit aus der Gegend, aus der auch die Steine herangeschafft
wurden und waren mit einiger Sicherheit am Bau des Steinkreises
beteiligt.
Die Untersuchungen legen zudem die Vermutung nahe, dass sie im Alter
von drei bis 13 Jahren ihre Heimat verließen. In dem Grab
wurden außerdem einige Töpfe gefunden, die denen aus
dem Grab des Bogenschützen von Amesbury ähneln.
Und was es mit dem auf sich hat, soll noch kurz ausgeführt
werden, schließlich hat der für einigen Aufruhr im Königreich
gesorgt, es bis auf die Titelseiten der Boulevardpresse gebracht.
Der König von Stonehenge
Das
Grab des so genannten Bogenschützen von Amesbury wurde
in der Nähe des gleichnamigen Ortes unweit von Stonehenge entdeckt.
Es war ungewöhnlich reich ausgestattet gewesen und die Datierung
des Grabes ergab ein Alter von deutlich über 4000 Jahren, genauer
gesagt um 2300 vor Christus. Damit lebte der Mann also in dem Zeitraum,
als in Stonehenge die ersten großen Steinmonolithen aufgerichtet
wurden.
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Der rätselhafte
Steinkreis von Amesbury, Foto: Wikipedia
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Die
ältesten nachweisbaren Aktivitäten in Stonehenge datieren
wie erwähnt ins Ende der Steinzeit also um 3.000 vor Christus,
die gewaltigen Blöcke, die heute unser Bild von Stonehenge
prägen, wurden aber erst zwischen 2.400 und 2.200 v. Chr. herbeigeschafft.
Das passt wie der Hinkelstein aufs Wildschwein oder auch der Frosch
aufs Auge.
Zum
Zeitpunkt seines Ablebens war der Mann rund 40 Jahre alt. In dem
Grab fanden sich eine ganze Anzahl von Pfeilspitzen, Kupfermessern,
Armschützern, sogar zwei goldene Spangen. Das muss als ausgesprochen
ungewöhnlich gelten. Alles in allem können wir sicher
davon ausgehen, dass es sich bei dem Toten um eine hochgestellte
Persönlichkeit handelte.
Hochgestellte
Persönlichkeit, zeitgleich mit dem Beginn der Bauarbeiten in
Stonehenge, es kann nicht verwundern, dass ihm - zumindest in der
englischen Presse - schnell der Spitzname "König von Stonehenge"
verpasst wurde. Das entpuppte sich nachträglich allerdings
als klassisches Eigentor.
Stonehenge ist eines der bekanntesten Mahnmale Großbritanniens,
synonym für die Megalithkulturen, auf Augenhöhe mit Newgrange
und ein geradezu identitätsstiftendes Symbol angelsächsischen
Selbstverständnisses. Dummerweise stellte sich heraus, dass
der von der englischen Presse voreilig zum König von Stonehenge
gekürte Bogenschütze, alles andere als "local"
war. Genauer gesagt stammt er aus dem süddeutschen vielleicht
Schweizer Raum. Der König von Stonehenge ein "Kraut"?
Die Boulevardpresse tobte ob der Schmach und selbstverständlich
war das auch der deutschen Boulevardpresse eine Meldung wert. Stonehenge
ein Steinhenge fragte sie? Der Schock saß tief. Arme Briten,
manchmal können sie einem fast Leid tun.
Untersuchungen ergaben, dass die Ausrüstung des Mannes aus
Frankreich bzw. Spanien stammte. Das passt hervorragend zu der Theorie,
dass schon in der frühen Bronzezeit ein weit gespanntes Handelsnetz
existierte. Außerdem stützt der Fund die Vermutung, dass
etliche handwerkliche Fähig- und Fertigkeiten - zum Beispiel
die Metallverarbeitung - von Mitteleuropa aus nach England kamen.
Auch das hört man da natürlich nicht so gern.
Wie
dynamisch die alten Megalithkulturen waren und wie weitreichend
die Beziehung zeigt sich auch im irischen Newgrange. Auch dort finden
sich Hinweise, die bis nach Schottland und Spanien reichen. Je mehr
die Archäologen über diese frühe Phase nord- und
nordwesteuropäischer Kultur herausfinden, desto mehr zeigt
sich, dass die vor allem durch die Römer tradierte Mär
von den kulturlosen Barbaren unhaltbar ist. In zum Beispiel Irland
gab es eine hoch entwickelte Kultur lange bevor in Ägypten
die erste Mastaba gebaut wurde, von Pyramiden ganz zu schweigen.
Mit der noch von John Constable im 19. Jahrhundert kolportierten
idyllischen Ruhe ist es freilich vorbei. Der schrieb damals; "The
mysterious monument of Stonehenge, standing remote on a bare and
boundless heath, as much unconnected with the events of past ages
as it is with the uses of the present." Was er uns damit
uns grob gesprochen sagen will, ist, dass es sich um ein besinnliches
Plätzchen handelte, hier ganz sprichwörtlich der Hund
begraben war.
Heute
liegt Stonehenge an einer der belebtesten Strassen des Vereinigten
Königreichs und rund 1 Millionen Besucher strömen jedes
Jahr hier durch. Einer der Lösungsvorschläge, um den weiteren
Verfall von Stonehenge aufzuhalten, war die A303 in den Untergrund
zu verlegen und eine Kopie von Stonehenge in bester Tradition von
Disneyworld zu errichten.
Gegen
den Tunnel gibt es so viele gute Argumente wie dafür, die Diskussion
ist schwierig. Was allerdings die Idee mit der Replik für doofe
Touris angeht, ist es wohl besser, ich enthalte mich eines Kommentars.
Bis dato dachte ich immer, dass die Briten mit den Amerikanern zwar
gut befreundet sind, ihr Gehirn aber nicht gleich an der Garderobe
abgegeben haben. Eventuell färbt es doch langsam ab.
Dazu
passend vielleicht noch folgender Nachtrag: Professor Anthony Perks
von der University of British Columbia in Vancouver plädierte
dafür, dass es sich bei Stonehenge um das Abbild einer Vulva
handelt. Seiner Ansicht nach entspricht der Altar einer Klitoris
und er ist davon überzeugt, dass wenn Archäologen im Zentrum
der Anlage graben würden, sie dort das Skelett eines Kindes
finden würden.
Stonehenge
sei ein Ort des Lebens gewesen und der Geburt, und nicht ein Platz
in die Zukunft zu schauen. Anthony Perks ist hauptberuflich Gynäkologe.
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