Die
große Entdeckung des Rudolf Gantenbrink
Schon vor geraumer Zeit waren in der Cheops Pyramide sauber bearbeitete
Schächte gefunden worden, die von der so genannten Grabkammer
der Königin schräg nach oben führen. Diese bemerkenswert
aufwändig angelegten Schächte messen in der Breite gerade
einmal 20 Zentimeter und obwohl sie unten verschlossen waren, wurden
sie zunächst als Luftschächte interpretiert.
Dass
diese Interpretation eher fragwürdig war, leuchtet wohl jedem
ein und so wurde eine eingehendere Untersuchung eingeleitet. Das
war Ende der 1980er Jahre.
In
Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI)
wollten die Ägypter die Funktion der Luftschächte ergründen.
Das DAI beteiligte sich unter anderem an der Finanzierung des Projekts.
Erste Aufgabe war es, einen verantwortlichen Projektleiter zu finden
und genau hier fangen die Ungereimtheiten an.
Eigentlich sollte man ja erwarten, dass für eine solches Prestigeunternehmen
international renommierte Ägyptologen herangezogen würden.
Statt dessen präsentierte man nach kurzer Suche einen ausgesprochen
interessanten Kompromisskandidaten: Rudolf Gantenbrink. Der ist
seines Zeichens Ingenieur und das ist schon recht revolutionär
für die wunderschöne Welt der Ägyptologie, wo man
neuen Theorien und Ansätzen gemeinhin so aufgeschlossen gegenüber
steht, wie China der Rede- und Pressefreiheit.
Nun ist die Idee an sich natürlich nicht schlecht, einen Ingenieur
mit so etwas zu beauftragen, zumindest wenn man davon ausgeht, dass
die Schächte eine echte Funktion haben und man die in feinster
Wissenschaftlermanier empirisch untersuchen will. Genau das passt
aber nicht so ganz ins Bild. Immerhin wurde im Vorfeld wohl eher
vermutet, dass die Schächte eine symbolische Bedeutung haben,
vielleicht der Seele des Pharao den Weg leiten, damit er an der
Seite der Götter im Himmel regieren kann.
Und doch könnte es Sinn machen. Böse Zungen behaupten
nämlich, Zahi Hawass hätte Gantenbrink damals mit der
Erforschung der Luftschächte beauftragt, weil er als einziger
Bewerber kein ausgebildeter Ägyptologe war. Wollte er den Erfolg
gar nicht und beugte sich nur dem wachsenden Druck der internationalen
Forschergemeinde? Und hat das DAI den Zuschlag nur bekommen, weil
sie eben diese Option Gantenbrink - zugegebener Maßen einen
Laien - vorlegen konnten? Ketzerische Fragen, doch berechtigt nichtsdestotrotz.
Wie
es sich auch zutrug, im weiteren Verlauf bewahrheitete sich der
alte Spruch: Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt.
Wenn Hawass tatsächlich damit rechnete, dass Gantenbrink nicht
viel entdecken würde, hatte er sich verkalkuliert. Gantenbrink,
ganz Ingenieur, baute einen kleinen Roboter, montierte eine Kamera
drauf und untersuchte die Schächte mit einer Videokamera. Das
kleinen Hightech Vehikel nannte er übrigens Upuaut nach dem
gleichnamigen ägyptischen Gott. Übersetzt heißt
er so viel wie "Öffner des Weges". Nach einigen erfolglosen
Anläufen wurde er im Südschacht fündig.
Der Schacht endete (nach immerhin 64 Metern) überraschender
Weise recht abrupt. Ein sorgfältig bearbeiteter Stein aus hochwertigem
Kalkstein verschloss ihn. An diesem Stein befanden sich zwei Kupferstreifen,
unter ihnen zwei helle runde Kreise. Die Sache war mysteriös
und natürlich sensationell.
Umso
befremdlicher war die Reaktion von Hawass und Professor Stadelmann
vom DAI. Schon im Vorfeld der Entdeckung hatte es einige seltsame
Begebenheiten gegeben, doch was nun kam, übertraf alles. Gantenbrink
wurde aufgefordert eine Presseerklärung zu verfassen. Das tat
er, doch Stadelmann war unzufrieden. Noch mehrere Versionen wurden
dem Professor präsentiert, doch keine gefiel. Schließlich
schlug Stadelmann vor, die Veröffentlichung gleich ganz zu
verschieben. Gantenbrink reichte es. Er reiste ab, die Kampagne
war ohnehin beendet.
Rudolf
Gantenbrink schickte nach seiner Rückkehr einige Kopien des
Videos seines Erkundungsroboters an einige Fachleute. Irgendwie
bekam die Presse davon Wind und keine zwei Wochen später erschien
eine kurze Notiz in einer englischen Zeitung. Halb so schlimm könnte
man denken, wenn nicht - und jetzt wird es richtig eigenwillig -
das DAI die Entdeckung verleugnet und herunter gespielt hätte.
Auch Hawass tobte und damit kam die Sache erst richtig ins Rollen,
entwickelte sich zu einem klassischen Selbstläufer. Das hatte
Gantenbrink ganz sicher nicht gewollt und schon gar nicht, dass
er in der Folge mit irgendwelchen Verschwörungstheoretiker
a la Bauval und Hancock in einen Topf geworfen wurde, doch zu spät.
Was nachher an Missverständnissen dazu kam, wollen wir hier
gar nicht weiter ausführen. Gantenbrink machte jedenfalls keinen
Rückzieher und so traf ihn der Zorn des einzig Gerechten im
Tal der Könige und das konnte kein anderer sein als Direktor
Hawass selbst. Das DAI machte wohl gute Miene zum bösen Spiel,
bekleckerten sich auf jeden Fall nicht mit Ruhm. Zur Strafe für
seine Unbotmäßigkeit wurde der Entdecker mit Pyramidenverbot
belegt. Jahrelang wurde seine Vermutung, es handele sich um eine
Tür (die Metallstreifen erinnern nun mal fatal an die Rückseiten
von Beschlägen) von Hawass dementiert und lächerlich gemacht.
Zur echten Posse geriet die Angelegenheit allerdings, als neun Jahre
später ein Versuch unternommen wurde, hinter diese Tür
zu schauen.
Nicht nur das Dr. Hawass ganz plötzlich von einer Tür
sprach, auf der Webseite des Discovery Chanel, der die weltweiten
Übertragungsrechte hatte (die Aktion wurde live übertragen),
ließ sich Hawass auch noch als Entdecker feiern. Das rief
natürlich einen Sturm der Entrüstung hervor und nach massiven
Protesten wurde der Eintrag entfernt. Gantenbrink wurde trotzdem
nicht eingeladen und hat nach wie vor Pyramidenverbot.
Während der Live-Übertragung glänzte Hawass dann
auch noch damit, dass er einen Sarkophag mit Hammer und Meißel
bearbeitete, was der versammelten Archäologenschaft glatt die
Sprache verschlug. Nach dem Auftritt wollen wir fast nicht mehr
wissen, was Hawass so alles in der Cheopspyramide treibt. Dem Vernehmen
nach, wird dort seit Jahren intensiv gearbeitet, ohne dass irgendjemand
wüsste, was genau der eitle Direktor dort eigentlich treibt.
Hawass
ist ein mächtiger Mann in Ägypten, wer sich mit ihm anlegt,
bekommt in Ägypten keine Grabungserlaubnis mehr, entsprechend
halten sich die Fachleute vornehm zurück, mit der Kritik an
ihm. Rechtens ist das allerdings nicht, zumal es ein offenes Geheimnis
ist, dass Hawass nach einer möglicherweise noch verborgenen
Grabkammer sucht. Platz genug ist dafür und nachdem klar ist,
dass es sich bei der Tür, die zuerst keine war und dann doch
zu einer wurde, um eben eine solche handelt, weiß man sogar
wo man suchen muss.
Auch schon bei anderer Gelegenheit fiel der flammende Nationalist
Hawass ausgesprochen negativ auf. Im Anschluss an eine Pressekonferenz
und in der festen Überzeugung alle Mikrofone seien aus, ließ
er zum Beispiel verlauten, dass die Theorie, dass jüdische
Gefangene an der Errichtung der Pyramiden beteiligt gewesen sein
könnten, blanker Unsinn sei. Ein solches Wunderwerk könne
nur von ägyptischen Arbeitern errichtet worden sein und ganz
sicher nicht von irgendwelchen Juden. Da wusste man dann, welch
Geistes Kind der oberste Wächter der Antiken ist.
Hinter
der Tür fand sich übrigens ein kleiner Hohlraum und eine
weitere Tür.
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