Archimedes und der Todesstrahl

Per Experiment versuchen Forscher die Wunderwaffe des Archimedes nachzubauen.

Mit einem System von Spiegel und gebündeltem Sonnenlicht soll Archimedes in der Lage gewesen sein, feindliche Schiffe über Entfernungen hinweg in Brand zu setzen. Archimedes' Todesstrahl ist ein antiker Mythos, oder etwa nicht? Schon mehrmals wurde versucht, das Kunststück des großen Mathematikers und Ingenieurs nachzuspielen, mit sehr unterschiedlichem Erfolg.

Die Tatsache, dass Archimedes ein Genie war, ist über jeden Zweifel erhaben. Die Liste seiner Errungenschaften, würde einem ganzen Dutzend von Nobelpreisträgern zur Ehre gereichen, selbst in seinen Marotten war er überdurchschnittlich. Nackt durch die Straßen zu laufen und Heureka zu rufen, dürfte auch im dritten vorchristlichen Jahrhundert für Kopfschütteln gesorgt haben.


Viele seiner Entdeckungen wurden zum Bestandteil unseres täglichen Lebens, besonders von seinen berühmt-berüchtigt gewordenen Kriegsmaschinen wissen wir allerdings eher wenig. Man sagt, dass er mit ihnen ganze Flotten vernichtete, die Feste Syrakus fast im Alleingang hielt gegen die römische Invasion.

Formidable Waffen

Ein höchst effektive Waffe gegen Schiff, die sich zu nah an die Stadtmauer wagten, war die Eiserne Klaue. Dabei handelte es sich mehr oder weniger um einen Haken, der an einem gewaltigen Hebel befestigt war. Der Haken griff unter das Vorschiff, zog es aus dem Wasser und ließ es auf einen Felsen krachen. Das Schiff wurde zerschmettert, der Crew blieb nichts übrig, als ihr Heil schwimmend und in der Flucht zu suchen.

Dass Archimedes eine Schwäche für Hebel hatte ist bekannt, er gilt nicht nur als Entdecker der Hebelgesetze, auf ihn geht auch der Spruch: Gebt mir einen festen Punkt und ich hebe die Welt aus den Angeln. Die Historizität der Waffe ist unbestritten, auch ein praktischer Nachbau mit den Mittel der Zeit gelang ohne Probleme.

So effektiv die Kralle war, so kurz ihre Reichweite. Als Marcellus - der Heerführer der römischen Invasoren - sah, was passierte, zog er seine Flotte eine Bogenschusslänge zurück. Als Antwort darauf soll Archimedes unter Zuhilfenahme einiger Spiegel eine Strahlenwaffe gebaut haben, mit deren Hilfe er die römische Flotte in Brand setzte.

Das klingt zunächst einmal plausibel, schließlich haben die Meisten von uns schon mal mit einem Brennglas gekokelt. Was im Kleinen geht, funktioniert sicher auch in groß; sollte man zumindest denken. Viele Archäologen und Historiker halten und hielten die Waffe für historisch, andere wetterten mit großer Vehemenz dagegen, allen voran der große französische Philosoph und Mathematiker René Descartes.

Eine antike Strahlenkanone?

In den Quellen heißt frei übersetzt: Der alte Mann (Archimedes) konstruierte zunächst eine Art sechseckigen Spiegel. Dann arrangierte er ein Set kleinerer, viereckiger Spiegel in proportionalen Abständen, über Gelenke und Hebel konnten diese so bewegt werden, dass sie das Licht bei verschiedenen Sonnenständen auf einen Punkt zu bündelten. Noch auf Bogenschusslänge zerstörte dieser vereinte Strahl Schiffe, verbrannte sie zu Asche.

So wie es sich anhört, sammelten also mehrere kleine Spiegel Licht und konzentrierten es auf einen zentralen Punkt. Dort befand sich eine größerer Spiegel der das Licht gebündelt auf ein zu wählendes Ziel lenkt. Das Ganze erinnert etwas an moderne Solarkraftwerke, dass mit diesem Layout imposante Energiemengen erzeugt werden können, wissen wir.

Die Forscher vom Massachusetts Institute of Technology und der University of Arizona setzten bei ihrem Experiment auf große Spiegel. Trotz der beachtlichen Größe - insgesamt etwa dreißig Quadratmeter Spiegelfläche - misslang der Versuch, ein altes Fischerboot in Brand zu setzen. Aus fünfzig Metern brachte man das Boot lediglich zum Glimmen, selbst nachdem man die Entfernung auf 25 Meter verkleinert hatte, schafften die Amerikaner es nicht, eine ernsthafte Flamme zu entfachen.

Oberkanonier und MIT-Professor David Wallace zeigte sich trotzdem zufrieden. Das Experiment habe gezeigt, dass es technisch möglich gewesen sei, eine solche Waffe zu bauen. Bewiesen sei aber auch, dass eine solche extrem unpraktisch gewesen wäre. Ähnlich äußerte sich auch Peter Rees vom Discovery Channel, der sich als Sponsor an dem Experiment beteiligt hatte. "Wenn diese Waffe funktioniert hätte, wäre sie in der antiken Welt das Äquivalent zur Atombombe gewesen."

Die Macher der Sendung MythBuster in deren Rahmen das Experiment veranstaltet wurde, erklärte die Waffe kurzerhand dann auch zum Mythos. Immerhin scheiterten sie grandios, besser könne Archimedes eigentlich auch nicht gewesen sein. Das sieht David Wallace eigentlich genauso, er mahnte aber, die Genialität des großen alten Mannes nicht zu unterschätzen.

Da stimmen wir ihm gern zu, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass vergleichbare Experimente schon früher unternommen wurden und mit durchaus vorzeigbaren Erfolgen. Irgendjemand scheint da seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.

Der Todesstrahl

In den frühen siebziger Jahren war der Streit um die Machbarkeit der antiken Strahlenkanone noch in vollem Gange. Während andere noch diskutierten, dachte sich loannis Sakkas, dass man über Sachen lange und ausführlich streiten, man es ganz einfach aber auch probieren kann.

Der Archimedesforscher und ehemalige Ingenieur für Solartechnik ging wie die meisten seiner Kollegen davon aus, dass der geniale Ingenieur statt eines großen, eher eine größere Anzahl kleinerer Spiegel benutzt haben dürfte. Dabei müssen die nicht unbedingt aus Glas bestanden haben, Sakkas vermutete, dass man sich für eine praktischere Lösung entschieden haben dürfte: poliertes Metall.

Das stand in Form der Schilde von Syrakus' Soldaten in ausreichender Menge zur Verfügung. Vorstellbar wäre, dass Archimedes die Soldaten in einer Reihe antreten ließ. Mit ihren Schilden und etwas Übung hätten sie dann das Sonnenlicht auf einen Punkt konzentriert, schon hätten wir eine Strahlenkanone.

Ob das auch in der Praxis funktioniert, testete Sakkas unter aktiver Mithilfe der griechischen Marine. Er ließ mehrere Dutzend flache Spiegel anfertigen, die mit einer dünnen Kupferschicht überzogen waren. In einer Marinebasis nahe Athen trat man schließlich zum Experiment an. Siebzig griechische Seeleute bewaffnet mit den etwa 1.50 mal 1.00 Meter großen Spiegeln, konzentrierten das Sonnenlicht auf ein rund fünfzig Meter weit entferntes Fischerboot. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten klappte das auch ganz gut, innerhalb weniger Sekunden fing das Boot an zu qualmen, kurze Zeit später stand es in Flammen.

Die Masse machts

Auch ein Experiment, angestellt am 15. September 2002 in Kalkriese, war erheblich erfolgreicher als das der amerikanischen Kollegen. Den 500 teilnehmenden Besucher an der Veranstaltung "Mythen und Magie" gelang es mit verhältnismäßig kleinen Taschenspiegeln, ein Segel aus fünfzig Metern in Brand zu setzen. Bei dem Experiment unter Leitung des Diplom Physikers Jörg Buchholz wurden im Brennpunkt des von den Besucher mit ihren kleinen Kristallspiegeln erzeugten Hohlspiegels und trotz eher spärlichen Sonnenlichts etwa 100 Kilowatt erzeugt.

Das Experiment von Kalkriese folgt der Idee von loannis Sakkas, viele kleine statt eines großen Spiegels zu verwenden. Tatsächlich könnte es sich so abgespielt haben, gestützt würde dies zum Beispiel von einer Bemerkung bei Anthemius von Tralles (474 - 534). Der Architekt der Hagia Sophia berichtet uns, dass Archimedes eine große Anzahl von Spiegeln benutzt habe.

Abschließend klären, ob bei der Schlacht um Syrakus tatsächlich Strahlenwaffen eingesetzt wurden, kann man die Frage mit keinem der Experimente, allerdings ist klar, dass es mit den Mitteln der Zeit möglich gewesen wäre. Archimedes war mit den Grundzügen der Optik vertraut und offensichtlich ein sehr experimentierfreudiger Wissenschaftler.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Strahlenkanone immer wieder in den Quellen auftaucht, ist man geneigt zu glauben, dass es tatsächlich so war. Immerhin scheint sie eine Ausnahmeerscheinung gewesen zu sein. Die Idee, mit gebündeltem Sonnenlicht Schiffe zu versenken, tauchte noch einmal im Zusammenhang mit dem Leuchtturm von Alexandria auf. Darüber hinaus scheint die Idee keine Verbreitung gefunden zu haben. Sollte sie tatsächlich so effektiv gewesen sein, wie man uns Glauben machen will, muss das zumindest verwundern. Letzten Endes bleibt die Frage also offen.

 

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